ÖBB 2020 – Die größte und stärkste Diesellok der ÖBB

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Mit der Inbetriebnahme der Diesellok 2020.01 wagten die Österreichischen Bundesbahnen 1960 einen technischen Vorstoß in Richtung leistungsfähiger Streckenlokomotive ohne Fahrdraht. Gebaut wurde die Maschine vom Werk Floridsdorf der Firma Simmering-Graz-Pauker (SGP). Ihr Aufbau ähnelte in Grundzügen der deutschen V200 – war jedoch in mehreren Punkten eigenständig, aufwändiger und stärker motorisiert.

Die Lokomotive besaß zwei V12-Dieselmotoren des Typs T12b, jeweils mit einer Leistung von 810 kW. Die Leistung wurde über Voith-Turbogetriebe L28/111/4 auf die beiden zweiachsigen Drehgestelle übertragen. Das Ergebnis war eine Gesamtleistung von 1620 kW (2200 PS) bei einem Dienstgewicht von rund 80 Tonnen – das höchste je bei der ÖBB in einer Diesellok eingesetzte Leistungspaket. Die hohe Reibungsmasse ermöglichte auch auf steigungsreichen Strecken schwere Güterzüge oder internationale Schnellzüge ohne Vorspannlok.

Der Wagenkasten war eine geschweißte Konstruktion mit zwei Führerständen an den Stirnseiten und einem mittig verlaufenden Maschinenraum. Von dort aus konnte über einen seitlichen Gang gewartet werden. In der Mitte befand sich ursprünglich ein Dampfkessel zur Zugheizung, der später jedoch ausgebaut wurde. Die gesamte Dachfläche war abnehmbar, um den Austausch der Maschinenanlagen zu erleichtern – ein Indiz für den geplanten Wartungsaufwand.

Das Fahrwerk war ebenso komplex wie einzigartig. Die Federung setzte sich aus Blattfedern und Wiegenpendeln zusammen, ergänzt durch Gummischeiben zur Dämpfung. Der Drehzapfen war aufgrund der Platzverhältnisse ungewöhnlich in einem quer liegenden Hohlträger untergebracht, was eine aufwändige Lagerkonstruktion erforderte. Auch die Achsgetriebe mit übereinanderliegenden Gelenkwellen machten das Drehgestell besonders anspruchsvoll in Bau und Wartung.

Die pneumatische Bremsanlage war vom Typ Oerlikon, kombiniert mit einer mechanischen Klotzbremse. Ein Nachbremsventil sorgte dafür, dass bei schwacher Zugbremsung primär die Wagen und nicht die Lok selbst abbremsten – um Radreifenverschleiß zu reduzieren. Für die Sicherheit wurde eine elektropneumatische Steuerung mit Wegsicherheitsfahrschaltung und Sifa-Relais eingebaut, wodurch auch Einmannbetrieb möglich war.

Nach ersten Einsätzen auf der Südbahn – u. a. zwischen Wien und Tarvisio – wechselte die Lok mehrmals den Standort. Sie kam u. a. in Graz, Bludenz, Knittelfeld und Wien Ost zum Einsatz, fuhr internationale Schnellzüge bis Ungarn und Italien und ersetzte auf elektrifizierten Strecken im Bedarfsfall Elektrolokomotiven. Sie absolvierte dabei über 1,1 Millionen Kilometer.

Die Lok war jedoch kein einfaches Fahrzeug im Betriebsalltag. Neben ihrer Massigkeit stellte vor allem die Anfälligkeit der Getriebe und Motoren das Personal regelmäßig vor Herausforderungen. Zudem war sie für viele Nebenbahnen zu schwer, und bei der Werkstättendichte der 1960er-Jahre bedeutete ein Schaden oft tagelange Abstellungen.

Trotzdem blieb sie lange in Betrieb. Der letzte Einsatz mit nur noch einem funktionierenden Motor erfolgte im Bauzugdienst. Die Ausmusterung erfolgte 1980. Anschließend wurde sie als Denkmal in Wien Ost aufgestellt. Mit dem Umbau des Bahnhofsareals wurde sie vom Österreichischen Club für Diesellokgeschichte übernommen, nach Amstetten überstellt und schließlich 2016 dem Nostalgiestützpunkt Mistelbach übergeben.

Dort wurde sie optisch aufgearbeitet und erhielt wieder den ursprünglichen blauen SGP-Anstrich. Sie ist heute das einzige erhaltene Exemplar dieser Bauart. Ihr Schicksal steht exemplarisch für viele technikgeschichtlich bedeutende Einzelstücke, die trotz innovativer Ansätze im Serienbau keine Chance erhielten. Dennoch bleibt sie ein bedeutendes Zeugnis für den österreichischen Lokomotivbau der Nachkriegszeit.

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