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Bildschirmtext (BTX) in Österreich

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Bildschirmtext war ein interaktives Online-Videotex-System, das in den 1980er Jahren von den Postverwaltungen in Europa eingeführt wurde. In Österreich startete der Dienst bereits im Juni 1982. Die Österreichische Post- und Telegraphenverwaltung (PTV) entwickelte mit dem MUPID (Mehrzweck Universell Programmierbarer Intelligenter Decoder) ein eigenes Endgerät für BTX und vermietete es an Kunden. BTX verband Telefonleitung und Fernseher und bot erstmalig viele Dienste, die später dem Internet ähnelten.

MUPID – Das österreichische BTX-Terminal

Der MUPID 320 war das typische Bildschirmtext-Endgerät in Österreich. Erstmals 1982 vorgestellt, handelte es sich um einen programmierbaren Decoder, der via SCART-Anschluss mit dem Fernseher verbunden und über einen externen Modem-Port (später COM-Port) an die Telefonleitung angeschlossen wurde. Der erste MUPID 1 (auch „C2D“ genannt) lief noch ohne Festplatte; 1984 folgte der MUPID 2 mit CP/M-Betriebssystem und Diskettenlaufwerk. Die Anschaffungskosten lagen im März 1984 bei etwa 1000 Schilling (ca. 73 Euro) mit einer monatlichen Miete von rund 130 Schilling (9,50 Euro). Es gab verschiedene Modelle (deutsche Version C2D0/D2, österreichische C2A2, usw.) sowie eine MUPID-Steckkarte für IBM-kompatible PCs, um diese BTX-tauglich zu machen. Auch andere Hersteller setzten auf die MUPID-Technik: So war der Grundig PTC 100 eine Variante des MUPID und Siemens vertrieb den T3100/T3110 als Abkömmlinge des ersten MUPID-Modells.

MUPID C2A2 österreichischer Computer für BTX

Typische Anwendungen und Dienste

BTX bot ein breites Spektrum interaktiver Dienste – viele davon waren seiner Zeit voraus. Einzelnutzer konnten Texte und Grafiken abrufen und E-Mails versenden (sogar an Empfänger ohne BTX-Gerät, dank eines Post-Ausdruckdienstes gegen Gebühr). Darüber hinaus waren „Teleprogramme“ (heutigen Apps vergleichbar) verfügbar, mit denen man Waren bestellen oder Zusatzprogramme herunterladen konnte. Zu den Anwendungen gehörten auch Online-Spiele (Mehrspieler-Runden, Geduld- und Schachspiele gegen andere Benutzer oder den Computer) sowie elektronische Diskussionsforen – frühe Formen sozialer Netzwerke. Sogar einfache „Blogs“ waren möglich: Der Entwickler Hermann Maurer betrieb etwa das BTX-Tagebuch „Maurers Meinung“ und veröffentlichte die Beiträge später als Bücher.

Darüber hinaus wurden Bildung und Verwaltung digitalisiert: So bot das System COSTOC interaktiven Informatikunterricht mit rund 500 Lernlektionen an, und österreichische Notare nutzten BTX bis in die 1990er Jahre hinein, um elektronisch auf das Grundbuch zuzugreifen. Auch Wirtschaftsdienste waren vertreten – etwa Kurse für Aktien und Devisen, Homebanking, Anmeldung zu Vorlesungen oder eine Tourismus-Buchungsdatenbank. Zusammenfassend umfassten die Möglichkeiten von BTX u.a.:

  • Informationsabruf (Texte, Bilder, Nachrichten) und E-Mail (inkl. Bezahlservice für Papierbriefe)
  • Tele-Shopping und Software-Download (Bestellungen, Teleprogramme für Programme/App-Download)
  • Unterhaltung: Online-Spiele, Patiencen, Schach und Chat-Foren
  • Bildung und Verwaltung: Interaktiver Fernunterricht (COSTOC), elektronische Verwaltungsdienste wie das Grundbuch

Da MUPID keinen Festplattenspeicher hatte, wurden alle Daten und Programme auf zentralen BTX-Servern gespeichert – vergleichbar einer frühen „Cloud“. Die Hardware beinhaltete das CP/M-System, einen Text-/Grafik-Editor und einen Basic-Interpreter. Beim Ausschalten ging der Arbeitsspeicher verloren – Viren oder Fehler verschwanden also einfach. Interessanterweise fehlten im BTX-Mailsystem Spam und anonyme Inhalte: Dank verpflichtender Seitengebühren und einem bekannten Absender war unerwünschte Post praktisch ausgeschlossen. Zudem konnten Informationsanbieter ihre Seiten mit Gebühren belegen (mit Warnhinweis vor dem Abruf) und so Einnahmen erzielen.

MUPID-Modelle und Alternativen

  • MUPID 1 (1982): Erstes Modell ohne Festplatte; TV-Anschluss via SCART, Modem extern
  • MUPID 2 (1984): Nachfolger mit Diskettenlaufwerk, CP/M, BTX und Programmierfunktionen
  • MUPID-PC-Karte: Steckkarte für IBM-kompatible PCs zur Nutzung von BTX
  • Weitere Varianten: Grundig PTC 100, Siemens T3100/T3110 basierten auf MUPID-Technik

Einige Fernsehgeräte hatten BTX integriert – so etwa das seltene Grundig BT-1000 Kombigerät.

Niedergang und Abschaltung

Mit dem Siegeszug des Internets verlor BTX gegen Ende der 1990er Jahre schnell an Bedeutung. Die Produktion des MUPID wurde 1989 eingestellt. Der offizielle Bildschirmtext-Dienst in Österreich wurde um das Jahr 2000/2001 abgeschaltet. Die Post verschrottete viele Geräte oder überließ sie Bildungseinrichtungen. Damit endete auch die letzte Phase des Videotext-Experiments, das einst als digitale Zukunft gehandelt wurde.

Retro-Community und heutige Projekte

Auch nach der Abschaltung blieb BTX vielen in Erinnerung. Schon 1983 wurde der MUPID Computer Club Austria gegründet – er besteht bis heute fort. Im Internet haben Fans historische Bildschirmtextseiten archiviert und nachprogrammiert. In Deutschland wurde ein „BTX-Museum“ gegründet, das alte Geräte konserviert und mit modernen Emulatoren BTX-Seiten wieder nutzbar macht. Mit Raspberry Pi, V.23-Modememulationen und Retroprojekten wie BTX over UDP lebt BTX weiter – als Denkmal einer untergegangenen, aber faszinierenden digitalen Welt.


Quellen

  1. Computerarchäologie.de – MUPID: Österreichisches Bildschirmtext-Terminal
    https://computerarchaeologie.de/mupid/
  2. Maurer, Hermann – Die Geschichte von Bildschirmtext (BTX) in Österreich
    https://www.iicm.tugraz.at/~hermann/Bildschirmtext_und_der_Mupid
  3. Digitalisierung der Vergangenheit – Artikel zur Geschichte des BTX in Österreich (Archiv)
    https://web.archive.org/web/20170308053956/http://www.fh-joanneum.at/global/show_document.asp?id=aaaaaaaaaacybji
  4. BTX Museum Deutschland – Retro-Server & Archiv
    https://btx-museum.de/
  5. Raspberry Pi Projekte zur BTX-Emulation
    https://github.com/doegox/rpi-btx03
  6. Artikel „Das war Bildschirmtext“ – heise.de
    https://www.heise.de/select/ct/2019/24/1574275539634485
  7. Wikipedia – Bildschirmtext in Österreich
    https://de.wikipedia.org/wiki/Bildschirmtext

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